Sonntag, 20. Mai 2012

Bad vibrations

„Ich kann nichts dafür“, fängt mich Gundula an der Tür ab, noch bevor ich den Schlüssel ins Schloss stecken kann.
„Hallo Gundi“, begrüße ich sie.
„Das Fax ist kaputt“, fährt sie aufgeregt fort und schließt die Tür hinter mir, „ich habe aber dasselbe gemacht wie immer!“
Ich quetsche mich im engen Flur an ihr vorbei und schleppe die drei schweren Einkaufstaschen in unsere sonnengelb gestrichene Küche. Gundula folgt mir mit geröteten Wangen. 
Wie immer, denke ich halb belustigt, halb genervt, 'wie immer' heißt bei Gundula, dass sie einfach Null Ahnung von der Technik hat
Die Taschen wuchte ich auf die Arbeitsplatte und drehe mich zu Gundula um.
„Was ist denn genau passiert?“, frage ich sie und schaue ihr direkt ins Gesicht. 
„Eigentlich wollte ich nur schnell die Anmeldung für den VHS-Kurs faxen. Das blöde Gerät hat erst das Papier falsch eingezogen, dann gebrummt und danach fing die ERROR-Anzeige wie wild an zu blinken. Natürlich habe ich versucht, das Papier wieder herauszuziehen und alle Tasten gedrückt, aber das Fax wollte keine Ruhe geben. Ich wusste mir keinen Rat mehr, also habe ich einfach den Stecker herausgezogen“, berichtet Gundula beschämt. 
„Ich kümmere mich gleich darum“ sage ich wie immer, „räumst du die Lebensmittel ein, und machst uns in der Zwischenzeit einen schönen Espresso?“ 
„Ach, einen Tee fände ich jetzt besser!“, antwortet sie harmlos. 
Ja, ja, und das nur, weil du Angst vor dem Kaffeevollautomaten hast!, schießt mir durch den Kopf. „Tee wäre auch ok!“, erwidere ich lachend. 

Gundula und ich teilen uns seit drei Jahren eine geräumige Vierzimmerwohnung im Dachgeschoss. Nach meiner Scheidung hatte ich ein Zimmer übrig, also suchte ich mir eine Mitbewohnerin. Gundi erschien eineinhalb Stunden zu spät zum Besichtigungstermin, weil sie in unserem Gebäude im Aufzug feststeckte. Der Alarmknopf funktionierte nicht und ihr Handy hatte natürlich auch keinen Empfang. Wir mochten uns auf Anhieb, auch wenn wir grundverschieden sind. Beide Anfang vierzig, berufstätig und Single. Damit enden auch schon unsere Gemeinsamkeiten. Gundi ernährt sich vegetarisch, macht Yoga und ist mehr der spirituelle Typ. Ein wenig introvertiert, bleibt sie gerne zuhause, Großveranstaltungen geht sie aus dem Weg. Ich hingegen bin süchtig nach Fastfood, verbringe manchmal Stunden am Telefon, verabscheue Sport und Hausarbeit und hänge nach meinem Bürojob bevorzugt in Szenekneipen herum. Während ich Mord-und-Totschlag-Bücher liebe, steht Gundula auf historische Romane - in diesem Jahrhundert wirkt sie sowieso deplatziert. Ich glaube, am wohlsten würde sie sich fühlen, wenn sie ihre Mahlzeiten über dem Lagerfeuer zubereiten und das Wasser direkt aus dem Brunnen schöpfen könnte. Alle technischen Geräte sind Gundula ein Gräuel. Als Ausgleich für ihren inkompatiblen Zeigefinger verfügt sie aber über einen grünen Daumen. Ihr alleine ist es zu verdanken, dass meine früher halb vertrockneten Pflanzen jetzt um die Wette blühen. Unsere Wohnung hat sie in eine Oase verwandelt. Kein Wunder, Gundula gilt in dem Blumenladen, in dem sie arbeitet, als Spitzenkraft. Nur an die Kasse darf sie nicht mehr, was ihr allerdings mehr als recht ist. 

Ungefähr ein Jahr nach ihrem Einzug fand ich sie verträumt im Sessel sitzend vor. In einem Straßencafé hatte sie einen freundlichen, schüchternen Mann kennen gelernt und war mit ihm ins Plaudern geraten. Nachdem die Bedienung sie bei Betriebsschluss aus dem Café komplimentiert hatte, kamen beide überein, dass sie sich wiedersehen wollten. Sie gab ihm ihre Handynummer, er versprach sich zu melden. Gundula war hin und weg. Den ganzen Abend schwärmte sie von ihm. Zwei Tage lang bewachte sie ihr Mobiltelefon, dann erhielt sie beim Ausräumen der Waschmaschine endlich die ersehnte SMS: „Hallo Gundula. Ich bin der Typ aus dem Roxicafe. Würde mich freuen, dich mal wieder zu treffen. Melde dich einfach bei Interesse. Viele Grüße Michael“ Außer sich vor Freude tippte sie bereits auf den Buchstaben herum, verwechselte dabei jedoch die 'Nachricht beantworten'- mit der 'Nachricht löschen'- Taste. Michael verschwand genau in dem Moment für immer im Nirvana, als sie die Botschaft mit 'Ja' bestätigte. Gundula beehrte das Roxicafé danach noch wochenlang, doch ihn sah sie niemals wieder. 
Innerhalb unserer vier Wände, so hatte sie danach beschlossen, durfte dieses Thema nie mehr angesprochen werden. 

Mit meinem neuen Leben habe ich mich mittlerweile arrangiert. Ungefähr einmal pro Monat muss ich den Text des Anrufbeantworters neu besprechen, weil Gundula ihn beim Abhören einer Nachricht versehentlich gelöscht hat. Die Fernbedienung vom TV reiße ich bei unseren gemeinsamen Fernsehabenden automatisch an mich, aber das bin ich noch von meiner Ehe her so gewöhnt. In unserer Wohnung wurde von mir nahezu alles, das über einen Stecker verfügt, schon mindestens einmal repariert. Wirklich wichtige Computerdateien sichere ich auf einer externen Festplatte, die ich vorsorglich in einem Aktenkoffer mit Zahlencode unter meinem Bett aufbewahre. Man weiß ja nie! Nur an die Mikrowelle muss ich keinen Gedanken verschwenden, wegen der umstrittenen Strahlen macht Gundi sowieso einen großen Bogen um sie. Und selbstverständlich bringe ich das Leergut zurück zum Supermarkt, weil sie Angst hat, dass ihr die Pfandflaschenmaschine die Hand abbeißt. Über diese kleinen Katastrophen kann ich großzügig hinwegsehen. Gundula und ich verstehen uns prächtig, immer hat sie ein offenes Ohr und wertvolle Ratschläge, wenn bei mir Probleme auftauchen. Ohne sie wäre meine Welt deutlich ärmer! 

Das Faxgerät hat seinen Geist endgültig aufgegeben, egal, welchen Trick ich ausprobiere. Da die Garantie noch nicht abgelaufen ist, beschließen wir also, es in die Hände eines Fachmannes zu geben. Das Gerät und ich nehmen den Aufzug nach unten, Gundi geht lieber zu Fuß. 
Mein Auto steht noch in Luigis Werkstatt, also wuchten wir das Teil in den Kofferraum von Gundulas altersschwachenen Kleinwagen. Oft fährt sie nicht mit ihm, normalerweise gibt sie ihrem Fahrrad den Vorzug. Nach Betätigen des Zündschlüssels ertönen sofort dröhnende Techno-Beats. 
„Seit wann stehst du auf Techno?“ schreie ich verwundert vom Beifahrersitz aus, „und ein bisschen laut ist es auch!“ 
„Einen anderen Sender kriege ich aber nicht rein“, schreit sie zurück. 
Ich schaue auf ihr in der Konsole integriertes Radio. Sämtliche Bedienschalter fehlen. Sie fängt meinen skeptischen Blick auf. 
„Die sind alle nach und nach abgefallen. Techno ist gar nicht so übel, und an die Lautstärke gewöhnt man sich auch“, rechtfertigt Gundi sich. 
Um zum Elektronikfachmarkt zu gelangen, müssen wir in der Tiefgarage parken. Mit Technogewumme biegen wir rasant in die Einfahrt des Parkhauses. Vor und hinter uns ist viel los, alle wollen um diese Zeit ins Einkaufszentrum. Geduldig warten wir bis alle Autos die Parkscheinausgabe passiert haben, dann sind endlich wir an der Reihe. Zum Öffnen der Schranke braucht Gundi lediglich den beleuchteten „Hier drücken“-Knopf zu bedienen und das Ticket zu entnehmen. Sie kurbelt das Fenster herunter und drückt. Nichts passiert. 
Weder spuckt die Maschine ein Ticket aus, noch öffnet sich die Schranke. Gundi presst Ihren Finger nochmals auf die Taste. Jetzt fängt der Automat an zu blinken, danach gehen die Lichter in der gesamten Tiefgarage aus. Hinter uns hupt es. 
„Ich bin unschuldig, ich habe dasselbe gemacht wie immer!“, stöhnt sie. 
Ich kichere. 
„Sieht nach 'nem Kurzschluss aus, Ladies!“ nuschelt uns der herbeigeeilte Monteur kaugummikauend ins geöffnete Fenster, „kann aber dauern, bis wir das repariert haben. Am besten wär's, wenn alle ein Stück zurückfahren und die andere Einfahrt nehmen.“ 
Rückwärts fahren? Ich drehe mich um und zähle die Hintermänner. 
„Was für ein Witzbold!“, murmele ich trocken. „Gundi, jetzt lach' doch mal!“, fordere ich sie auf und verpasse ihr mit dem Ellenbogen einen liebevollen Hieb in die Seite. 
Gundula verzieht gequält das Gesicht, noch immer plagt sie ihr schlechtes Gewissen. Zwei Defekte an einem Tag sind zu viel für ihre sensible Seele. Im Rückspiegel beobachtet sie, wie der Mann in der gelben Warnweste von Auto zu Auto läuft und seine Nachricht verkündet. Das Licht in der Tiefgarage funktioniert plötzlich wieder, und nach 20 Minuten Wartezeit kommt es zum ersehnten Rückwärtsruck in der Autokolonne.  
- Ende Teil 1, Fortsetzung folgt -
Kleine Anmerkung der Verfasserin: Zu dieser Kurzgeschichte wurde ich durch meine Kollegin animiert, bei der sämtliche Maschinen den Geist aufgaben, wenn sie auch nur den Versuch unternahm, sie bedienen zu wollen. 

Donnerstag, 17. Mai 2012

Zahnputzbox mit kleinen Monstern

Huch, schon wieder sind vier Monate ins Land gezogen und noch immer fällt es mir schwer, meinen Blog zu bearbeiten... Die letzten Wochen habe ich mit Recherchieren verbracht, damit ich endlich meine Idee mit der personalisierten Zahnputzbox für Kinder realisieren konnte. Das ist dabei herausgekommen:
Kleine modellierte Monster aus Fimo in grün, orange, blau oder pink mit schneeweißen Monsterzähnen. Erhältlich mit witzigen, drehbaren Zahnputzuhren, Mundspiegeln und Reagenzgläsern aus Kunststoff. So macht Kindern das Zähneputzen monstermäßig Spaß!